Marco
Reichert

Portrait
Marco Reichert

Der Raum dazwischen

Die Bilder von Marco Reichert

Marco Reichert (1979 geboren), der in Berlin arbeitet und lebt, erforscht zwei Hauptgebiete in seinen aktuellen Arbeiten. Einerseits sucht er in der Bilderflut der uns umgebenden Welt Formen, Oberflächen und Objekte, andererseits spielt er mit dem Übergang zwischen Abstraktion und Figurativem, wobei die Grenzen verschwimmen und verschmelzen. Die Kombination dieser Sichtweisen führt zu einer neuen, dem Künstler eigenen, Bildsprache. Dabei liegen seine Stärken in der Verführung.Er entführt uns in eine vertraute Welt in der man sich visuell auszukennen scheint, um sich dann plötzlich in einer völlig neuen unerforschten Umgebung wiederzufinden; In einem Raum dazwischen. Wir werden mit scheinbar bekannten Formen, einer leuchtenden Palette und luxuriös strahlenden Oberflächen gelockt und betört. Wann auch immer man meint sich auf vertrautem Boden zu befinden, scheint dieser unter uns weggezogen zu werden.

Vom Fotorealismus beeinflusst, durchforstet Reichert sein multi-mediales Bildarchiv und erlaubt es seinen Quellen mehr oder weniger stark in die Bilder einzufließen. Dies kann vom ganz offensichtlichen Zitat bis zur subtilen Inspiration reichen. Referenzen helfen dem Betrachter sich zu recht zu finden in einer komplexen Atmosphäre. In seiner „Jelly-Series“ bläst Reichert werbungsähnlich anmutende Bilder von funkelnden Früchten, Kuchen und Gelee zu zumeist großformatigen Malereien auf und definiert sie neu. Dabei lassen sie sich irgendwo zwischen klassischer Landschaftsmalerei, Science Fiction und uns merkwürdig erscheinenden organischen Substanzen verorten.

In Reicherts gemaltem Kosmos erscheinen mitunter Gesichter, Figuren, Spielzeug und andere Objekte. Ihre bildliche Existenz erdet zwar das Werk, wirft aber auch Fragen auf. Die tadellose und akribische Technik vermittelt vorerst eine einfache Lesbarkeit, allerdings wird dieses „what-you-see-is-what-you-get“-Gefühl immer wieder gestört und wir können nie sicher sein, welches Sujet wir hier betrachten. Reichert kehrt die Frage nach dem, was der Künstler zum Ausdruck brigen will um und fragt stattdessen: „was sagt das Bild über uns?“. Reicherts Liebe, Obsession und Faszination zur Materialität der Oberflächen ist unverkennbar. Aber auch hier geht er keinen eindeutigen Weg, sondern wirft uns von verführerischen, leckeren und schön anmutenden Oberflächen im gleichen Atemzug in eine klebrig und seltsam einnehmende organisches Substanz.

In seiner Serie „Magic Mountain“ behält Reichert die kompositorische Nähe zur Landschaft, die sich allerdings in seiner eigenen Vorstellung befindet. Eher psychedelische Formen mit einem Pop-Art-Charakter führen uns hier, ohne die genannten Referenzen und damit haltlos, in seine Welt. Diese „Mountains“ erinnern an Seide, Gletscher oder wissenschaftliche Makro- Fotografien. Die Mischung von Kontexten führt zu neuen Inhalten.

Der Titel der Serie „Magic Mountain“ bezieht sich auf Thomas Manns „Der Zauberberg“. Ohne hier zu tief in die Erzählung zu gehen, fallen die Gemeinsamkeiten zwischen Manns Roman und Reicherts Bildern auf. Die zu Beginn allen Regeln eines klassischen Bildungsromans folgende Geschichte, verwirrt den Leser immer mehr und führt in eine surreale und psychedelische Umgebung in der Zeit keine Rolle mehr zu spielen scheint, obwohl diese anfänglich eindeutig bestimmt war. So werden unmerklich aus drei Wochen auf dem Zauberberg sieben Jahre. Mann spielt damit, Konventionen und Erwartungen zu verdrehen und aufzuheben. Er lässt den Leser seinen eigenen Weg durch dieses Geflecht aus Realität und der gefühlten Traumwelt des Protagonisten finden.

Genau diese Unfähigkeit der präzisen Bestimmung des Gesehenen, macht die Werke Reicherts als visuelle Erfahrung so interessant und spannend. Denn der Künstler führt und lockt uns auf eine Reise ins Unbekannte, die wir fortsetzen müssen.

Vita
Marco Reichert

1979 in Berlin geboren
lebt und arbeitet in Berlin
info@marcoreichert.com
Ausstellungen

2013 „Urbanfuse”, Pavilion Gertrud-Kolmar, Berlin
2013 „P.O.P- IN PROGRESS”, Galleray 215 Bowery, NYC
2013 „Silicon Valley”, janinebeangallery, Berlin (E)
2012 „Sterne”, Galerie Wlden, Berlin
2012 „Figuring Abstraction“, Galerie Favardin & de Verneuil, Paris
2012 „ODE ON MELANCHOLY“, janinebeangallery, Berlin
2011 „Hot Spot Berlin“,Georg Kolbe Museum, Berlin
2011 „Objects in the mirror are closer than they appear“, janiebeangallery, Berlin (E)
2010 „Partnership“,Galerie E105, Bonn
2010 „CadavreExquis – Nekromantik“, Freies Museum Berlin, Berlin (E)
2010 „TEST-Meisterschülerausstellung“, Uferhallen, Berlin
2010 „Marco Reichert und Anna Borowy“, janinebeangallery, Berlin
2010 „Les maitresfous – Die verrückten Meister”, Freies Museum, Berlin
2009 „Coffee andCigarettes”, Projektraum Potsdamer Straße, Berlin
2009 „Winterwonderland“, janinebeangallery, Berlin
2009 „Förderprojekt Junge Kunst“,Galerie Zulauf, Freinsheim
2009 „Let´s go east“, Galerie E105, Bonn
2009 „Ostrale ´09“, Ostragehege, Dresden
2009 „Diplomausstellung“, Künstlerhaus Bethanien, Berlin
2008 „Plötzlich“, Uferhallen, Berlin
2008 „SEN“, Galerie Paterre, Berlin
2003 „Echoloten. Suchbewegung im unbekannten Raum”, Graphisches Kabinett,
Solothurn, Schweiz

(E) = Einzelausstellung

Studium
2010 Meisterschüler, Freie Kunst / Malerei bei Prof. Antje Majewski und Prof.Werner Liebmann, Kunsthochschule Berlin Weißensee, Berlin
2009 Diplom, Freie Kunst / Malerei bei Prof. Antje Majewski und Prof. Werner Liebmann, Kunsthochschule Berlin Weißensee, Berlin
2004-08 Studium, Freie Kunst / Malerei, Kunsthochschule Berlin Weißensee, Berlin
2001-04 Studium, Diplom-Informatik, Humboldt-Universität, Berlin